Jedes Jahr frage ich mich, was ich als Frau und Sexologin am Tag des Frauenstreiks machen kann und vor allem was ich bewegen kann. Die letzten Jahre ist mir nichts Grossartiges eingefallen, ausser meine Praxis zu schliessen, um an der Frauendemo in Zürich allein, mit Freundinnen oder sogar mit meinen Söhnen teilzunehmen.
Frauen kämpfen für die Gleichstellung in der Arbeitswelt, eine geschlechtergerechte Bildung, höhere Renten, aber auch gegen Gewalt gegenüber Frauen und FLINTA* (FLINTA* steht für Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans und Agender", d.h. eine Personengruppe, die nicht cis männlich ist). Was kann ich als Cis Frau und selbstständige Sexologin bewirken?
die Anerkennung, Wertschätzung und Sichtbarkeit meiner Arbeit fördern: Sexolog*innen spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung sexueller und affektiver Gesundheit, Aufklärung und Beratung. Trotzdem ist meine Tätigkeit als diplomierte Sexologin in der Schweiz von der Grundversicherung NICHT anerkannt! Trotz eines erfolgreichen Abschluss des akademischen Grads der Hochschule Merseburg "Master of Arts in Sexologie" wird die Tätigkeit als sexologische Therapeut*in von der Schweizerische Stiftung für Komplementärmedizin ASKA nur gegen zusätzlichen Weiterbildungen und selbstverständlich viel Geld anerkannt! Ok, ich bin also in der Kategorie "Luxusprodukt" zu finden.
gegen Stigmatisierung und Tabuisierung kämpfen: sexuelle Themen und Probleme werden oft stigmatisiert und tabuisiert. Sexolog*innen sind mit dieser Herausforderung ständig konfrontiert und engagieren sich vor allem für sexuelle Rechte aber auch für eine offene und respektvolle Diskussion über Sexualität(en). Weil alle diese Rechte mir wichtig sind, fördere ich mit meiner Tätigkeit Freiheit und Selbstbestimmung. Auch wenn ich gern sage, dass ich nicht für oder gegen Abtreibung bin, engagiere ich mich für selbst bestimmten Schwangerschaftsabbruch, denn keine Frau darf zur Mutterschaft gezwungen werden.
Zugang zu Bildung und Ressourcen: Sexolog*innen setzen sich für umfassende sexuelle Bildung sowie den Zugang zu Informationen und Ressourcen ein, um Erwachsene, aber auch als Sexualpädagog*innen Kinder und Teenager über wichtige Themen der sexuellen Gesundheit aufzuklären. Darum kann ich mich nur über die herabwürdigenden und unqualifizierten Tweets von SVP-Nationalratsmitgliedern und Anhänger ärgern, die letztlich die Schule Stäfa und Ihre Angestellte wegen ihrem "Gender-Tag" mit Angriffen und Entlassungsforderungen bedroht haben. Obwohl der Stoffplan dieses Gender-Tages mit dem Lehrplan 21 übereinstimmt, wurde der Gender-Tag aus Sicherheitsgründen für die Lehrer und Schüler*innen abgesagt. Für mich sieht es so aus, als ob engstirnige Menschen Schüler*innen verhindern wollten, dass aufwachsende Menschen sich mit Themen wie Beziehungen, Liebe, Sexualität auseinandersetzten sowie ihre eigene Verantwortung dazu reflektieren.
Ich bin nicht nur am 14. Juni engagiert, sondern das ganze Jahr. Neben meiner Tätigkeit als Sexualtherapeutin in meiner Praxis in Nänikon, habe ich mehrere Eisen im Feuer. Um die Arbeitsqualität der Sexolog*innen zu fördern, leite ich und moderiere eine interdisziplinären Intervisionsgruppe für Fachpersonen "Couple et Sexologie". Als Mitglied der Société Suisse de Sexologie und Teilnehmerin einer Arbeitsgruppe "sexualisierter Drogenkonsum" helfe ich, diese Praktik besser zu verstehen und interdisziplinarische Präventions- und Therapieansätzen aufzubauen. Regelmässig nehme ich an Kongressen oder Weiterbildungen teil, damit mein Wissen und meine therapeutischen Ansätze immer aktuell und praxisorientiert bleiben. Einmal im Jahre öffne ich die Türen meiner Praxis für das Publikum für einen Literaturtag, wo alle in meiner Bibliothek rumwühlen dürfen und Fragen stellen können. Für mehr Akzeptanz der Diversität habe ich letztes Jahr am Pride Month an der Universität Sankt Gallen als Expertin teilgenommen und bewege mich aktiv in der Queer und Kink Szene (Porny Days, Kinki Suisse, IG BDSM Gesellschaft). Das sind nur einige Beispiele von meinem Alltag als Sexologin. Nebenbei ziehe ich mit meinem Ehemann 2 Kinder gross und nehme mir auch Zeit, um das Leben zu geniessen. Wer mich kennt, weiss dass ich nicht lang ruhig sitzen kann. Darum möchte ich demnächst Workshops sowie Gruppengespräche veranstalten. Aber es dauert noch bis ich soweit bin! Bis dahin könnt Ihr schon mein Newsletter abonnieren oder in meinem Blog rumstöbern.
Am 14.6.2023 mache ich mit. Denn ich setze mich für die Bedürfnisse der Frauen und eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen, d.h. für Gleichstellung aller Menschen, gegen Sexismus und gegen Diskriminierung ein. Feminismus hat also mit Männerhass nichts zu tun, sondern der Förderung von Selbstbestimmung, Freiheit und Liebe. Am 14.6.2023 bleibt die Praxis geschlossen, damit ich die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen kann und für Veränderungen anfeuern kann. Und was machst Du?
Wenn Du zeitlich oder finanziell an dem Frauenstreik nicht teilnehmen kannst, dann führe auf Deinem Arbeitsplatz, an der Uni, in der Schule oder egal wo Du bist eine Aktion durch. Ich kann mich daran erinnern, dass vor ein paar Jahren Frauen zu einem bestimmten Zeitpunkt die Arme gekreuzt haben. Andere haben einen riesen "Women Only Pick-Nick" über die Mittagspause organisiert. Bestimmt fällt Dir eine tolle kollektive Aktion ein!
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